Sonntag, Mai 29, 2005

3 Tage Workshop = 3 Minuten Kurzfilm

Das letzte Wochenende habe ich im Offenen Kanal Kiel verbracht.
Es gab eine Einführung in Kamera- und Schnitttechnik, Filmgestaltungselemente und Organisation. Viel Stoff für drei Tage!



Am Ende hatten drei Arbeitsgruppen jeweils einen kleinen Kurzfilm erstellt, jeder war mal Kameramann/ -frau, Regisseur, Cutter oder Schauspieler gewesen und jeder kannte plötzlich den Unterschied zwischen XLR-3polig und XLR-4-polig...
Was für ein Erfolg!!
Am ersten Abend lernten wir, überhaupt mit einer Videokamera umzugehen und experimentierten in ersten Drehversuchen mit Perspektiven, Zoom, Kamerabewegung, Bildebenen und - ausschnitten.



Es war spannend zu sehen, wie unterschiedlich eine Interviewszene wirkt, je nachdem, welche Position die Kamera einnimmt. Man kann jemanden positiv oder negativ darstellen oder den Betrachter durch die Kameraführung so irritieren, dass man nicht mehr nachvollziehen kann, wer eigentlich wohin spricht und schaut und wer wo steht...



Beim Schneiden der kleinen Filme kam der nächste Aha-Effekt: Eine Sekunde ist wirklich lang. Und eine Szene wirkt völlig unterschiedlich, je nachdem ob man viele Schnitte im Wechsel von einem Schauspieler zum anderen macht oder einen Dialog in der Totalen lässt.



In meiner Arbeitsgruppe haben wir einen Kurzfilm über eine (gescheiterte) Beförderung gedreht:

Der Film spielt im Büro der Personalchefin eines Konzerns. Ein jahrelanger Mitarbeiter ist sich seiner Beförderung sicher und betritt gut gelaunt und zuversichtlich den Raum. Die beiden begrüßen sich freundlich, lächeln, betreiben etwas Small-Talk und er präsentiert ihr am Flipchart den wirtschaftlichen Erfolg seines letzten Projekts.

-- Bis hierhin haben wir den Film in warmen Farbtönen gedreht, die die angenehme Gesprächsatmosphäre unterstützen. Im Hintergrund sieht man farbige Bilder an einer Wand hängen und Grünpflanzen.--

Dann eröffnet sie ihm, dass für den von ihm angestrebten Posten ein anderer Kandidat ausgewählt wurde.

-- Innerhalb dieser Szene fährt die Kamera hinter seinem Nacken entlang und dann Richtung Boden, so dass die Personalchefin am Ende der Einstellung aus einer Froschperspektive zu sehen ist. --

Er ist geschockt.

-- Ab diesem Zeitpunkt wechseln die Farbtöne des Films in ein sehr kühles Blau.--

Sie erläutert ihm die Gründe, warum der andere Kandidat ihm vorgezogen wurde. Die Begründungen sind absurd und steigern sich im Laufe ihres Monologs in der Absurdität. Er durchlebt derweil die verschiedenen Phasen der Hilflosigkeit, der Verzweiflung bis hin zu einem Wutausbruch.

-- Durch die veränderte Blickrichtung ist sie nur noch im Gegenlicht eines großformatigen Fensters zu sehen. Seine Reaktionen sind als Detailaufnahmen dazwischengeschnitten: Schweißperlen auf der Stirn, zitternde Hände, Hände vors Gesicht schlagen...--

Am Ende kommt es zu einem tätlichen Übergriff des Angestellten auf die Personalchefin, dessen Ausgang aber offen gelassen ist.

-- Die Kamera folgt seiner Angriffsbewegung. Die Personalchefin wird von ihm in die Enge getrieben und die Kamera zeigt die Szene aus der Vogelperspektive.--

Das ganze habe wir in einen dreiminütigen Kurzfilm gepackt. Gerade das Experimentieren mit warmen und kalten Farben und den Kameraperspektiven war ausgesprochen spannend!

Und es hat sehr viel Spaß gemacht!
Deshalb kann ich jedem Film- oder Rundfunk-Interessierten nur empfehlen, mal an solchen Seminaren oder Workshops teilzunehmen.

Infos dazu:
Offener Kanal Kiel
Links zu weiteren Offenen Kanälen in Deutschland