Donnerstag, Mai 19, 2005

Realität... Vision...

Archigram-Ausstellung im Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe

Archigram? Da war doch was...
Und dann kommt auch noch Dennis Crompton himself vorbei, um durch die Ausstellung zu führen. Da muss ich natürlich dabei sein.

Also: Was muss mit? Visitenkarten - man weiß nie, wen man so trifft -, die Kamera - immer auf der Suche nach dem perfekten Motiv -, Taschentücher und Hustenbonbons - Schniefen und Husten während eines Vortrages kann so unangenehm sein.

Seit mein Auto zerschlagen wurde (die Geschichte erzähle ich ein anderes Mal), nutze ich intensiv den Öffentlichen Nahverkehr. Der Überlandbus - er fährt wirklich über Land und durch jedes Dorf - ist vollgestopft mit lärmenden Schülern, die von Rendsburg aus wieder in die umliegenden Gemeinden verteilt werden wollen. Wer hätte gedacht, dass ich mir einmal Dörfer wie Gokels und Puls anschauen würde.
Teilweise hübsch idyllisch und der Rabs blüht so schön!
Teilweise erschreckend die gnadenlose Aufreihung von kompletten Fertighauskatalogwucherungen.
Sicherlich ist diese kräftige Portion Realität sehr gut, bevor man sich den großen Architekturvisionen der 60er und 70er Jahre hingibt.

In Itzehoe angekommen erwartet mich eine weitere aktuelle Realität: Leere... Trotz des phantastischen Wetters begegnen mir fast keine Menschen, nicht mal in der Fußgängerzone. Wo sind die alle?

Mir fällt von weitem ein Schild ins Auge: Croques+Salate. Hmm, ich hab Hunger. Aber beim Näherkommen sehe ich: Das Gebäude steht leer... Und die zwei Nachbargebäude auch... Irgendwie unheimlich...



Das einzige, wo ich mal schnell was essen kann, ist ein Kochlöffel. Sowas hat mir nur als Kind geschmeckt. Naja, bevor mir nachher in der Ausstellung der Magen knurrt...
Ich bin sehr überrascht, wie nett und geduldig ich als "unerfahrene" Kochlöffelkundin zu den verschiedenen Menüs, deren Zusammenstellung und Größe, den unterschiedlich Soßen, Fingerfoods und Getränken beraten werde. Die Bedienung hat viel Zeit - für ihre einzige Kundin.

Gestärkt mache ich mich auf den Weg zum Wenzel-Hablik-Museum. Etwa 500 Meter Spaziergang entlang eines innerstädten Wasserlaufs. Sehr hübsch. Ich verweile für ein paar Minuten auf einer Bank. Ein Radfahrer fährt vorbei.
...
Im Wenzel-Hablik-Museum angekommen ist man dann über mein Erscheinen überrascht.
Der Vortrag sei doch erst in einer Stunde.
Ja, aber ich wolle mir die Ausstellung doch vorher schon mal anschauen.
Oh.

Die Ausstellung ist umfangreicher als erwartet und... Ich bin völlig allein...
...
Viel Ruhe um mich intensiv mit den Zeichnungen und Collagen zu beschäftigen...
...

Nur sehr langsam füllt sich das Museum. Es versammeln sich dann aber doch so um die 30 Interessierte. Damit hatte ich inzwischen nicht mehr gerechnet.

Dann betritt ein älterer weißhaariger kleiner Mann den Vortragsraum. Keiner beachtet ihn. Ich grüße ihn einfach mal. Er nickt und lächelt erfreut, schaut sich kurz um, geht dann zum Rednerpult und packt sein Laptop aus.
Es ist Dennis Crompton.



Sein Vortrag wird sehr emotional und engagiert. Er macht große Gesten mit seinen Armen beim Erzählen und es macht einfach Spaß ihm zuzuhören und zuzusehen. Besonders schwärmt er von seinem sehr guten Freund Ron Herron, der leider vor ein paar Jahren verstorben ist. Herrons überdurchschnittliche Gabe Situationen zu beobachten, daraus Idden zu entwickeln und diese sofort in zeichnerische Visionen umzusetzen muss beeindruckend gewesen sein. Die schrillen Collagen seiner Utopien aus den 60er Jahren sind Zeugen.



Dennis Crompton macht dann den großen Sprung in die Gegenwart, in die Zeit von Internet, Mobile Phone und Globalisierung. Spannend sinniert er über die Erscheinungen einer Walking City im heutigen Alltag. Und die Umsetzung der damaligen Idee einer Wohnkapsel, mit der man immer dorthin umzieht, wo man gerade arbeitet, hält er gerade heute für zeitgemäß. Die Infrastruktur für den Transport der Wohnkapseln sei mit den weltweiten Großhäfen und Autobahnen bereits vorhanden. Man müsste nur die Systeme entwickeln.


Archigram.net
Archigram bei Wikipedia (Autorin des Abschnitts "Entstehung": Sura)
Dennis Crompton bei Wikipedia (Autorin: Sura)